Wirtschaft
Nach wenigen Jahren der Reformen konnte sich eines der ärmsten Länder der Welt selbst versorgen. Anstatt zu hungern, erwirtschaftete die Landwirtschaft von Burkina Faso sogar einen Überschuss und konnte Teile der Ernte in die Sahel-Region exportieren. In der kurzen Regentschaft unter Thomas Sankara war zudem die Gleichberechtigung der Geschlechter, das Ende der Zwangsehe und die Förderung der regionalen Wirtschaft auf der politischen Agenda – vor 40 Jahren.
Viele der herzlichen Burkinabe verehren noch heute Sankaras reformatorischen Ziele, denn nach wie vor gilt es die Armutsfalle zu schließen. Thomas Sankara benannte 1980 den westafrikanische Binnenstaat Obervolta in Burkina Faso um, was sinngemäß „Land der aufrechten Menschen“ bedeutet. Kurze Zeit später startete das Projekt PATECORE, eine Entwicklungszusammenarbeit der deutschen EZ für die Ernährungssicherung der burkinischen Kleinbauern (wird seit 2006 von Terra Verde fortgeführt), doch die Ergebnisse dieses Vorzeigeprojekts erlebte der 1987 ermordete Staatschef nicht mehr.
Drei Jahre nachdem Sankara durch einen Putsch an die Macht kam, wurde er brutal ermordet und sein ehemaliger Weggefährte Blaise Compaoré Präsident für 27 Jahre. 2014 widersetze sich das Volk seinem Begehren einer weiteren Amtszeit und hat, mit weitgehend friedlichen Massenprotesten, die ersten demokratischen Wahlen eingeleitet. Aus der als frei und fair bewerteten Wahl ging der Präsident Roch Marc Kaboré hervor und läutete eine neue hoffnungsvolle Ära ein, die 2022 durch ein Putsch beendet wurde. Hintergrund des Putsches war eine breite Unzufriedenheit in der Bevölkerung, über eine ungenügende Sicherheitspolitik der Regierung gegen den ausufernden islamischen Terror.
Kaboré wurde vorgeworfen, nicht entschlossen genug gegen die dschihadistische Gewalt in Burkina vorzugehen, die seit 2015 die Region destabilisiert und zu einer massiven Zunahme an Binnenflüchtlingen auf 1,5 Mio. Menschen geführt hat. Am 24. Januar 2022 haben meuternde Soldaten, unter Führung von Generalleutnant Paul-Henri Sandaogo Damiba, Präsidenten Roch Kaboré gestürzt. Die Regierung wurde abgesetzt, das Parlament aufgelöst und die Macht übernommen. Schon sechs Wochen nach dem Putsch ernannte Damiba ein 25-köpfiges Kabinett, das laut Dekret drei Jahre im Amt bleiben soll.
Der Ökonom und Wirtschaftswissenschaftler Albert Ouedraogo (53) wurde zum Übergangspremierminister ernannt. Sein neues Kabinett besteht fast ausschließlich aus Technokraten, darunter sechs Frauen, wie die neue Außenministerin Olivia Rouamba. Der Verteidigungsminister unter Kaboré, General Barthelemy Simpore, behält sein Amt in der neuen Regierung. Auch führende Vertreter der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaften wurden berufen. Minister für sozialen Zusammenhalt und nationale Aussöhnung wird Yero Boly, der vorher schon unterschiedliche Ministerrollen innehatte.
Albert Ouédraogo wuchs in der Region Sahel im Nordosten von Burkina Faso auf. Einen Teil seiner Schulzeit absolvierte er in einer Militärakademie, die dem Verteidigungsministerium unterstand. Nach dem Schulabschluss studierte er Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften an der Universität Ouagadougou.
Infolge eines Studentenstreiks, an dem er beteiligt war, soll er zeitweise von der Hochschule ausgeschlossen worden sein. Der promovierte Verwaltungswissenschaftler war als Unternehmensberater tätig und unterrichtete Buchhaltung an der Universität Ouagadougou. Er leitete mehrere Studien zur Entwicklung des Privatsektors, zur wirtschaftlichen und finanziellen Machbarkeit von Unternehmensgründungen und -organisationen, sowie zur Ausarbeitung von Strategieplänen.
In drei Jahren sollen demokratische Wahlen stattfinden, an denen weder Damiba noch der neue Ministerpräsident kandidieren dürfen.
Der aktuelle Staatschef Oberstleutnant Paul-Henri Sandaogo Damiba hat nach dem Putsch die internationale Gemeinschaft um Unterstützung gebeten. Die EU, die UN, die USA und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas haben den Umsturz verurteilt. Die Afrikanische Union setzt als Reaktion auf die Inhaftierung von Präsident Kaboré die Mitgliedschaft von Burkina Faso aus. In der Sahel-Region findet der Kampf gegen radikale Islamisten unvermindert statt – auch in Mali und in Guinea haben mittlerweile Militärführer die Macht übernommen. Frankreich hat vor aktuell den Rückzug von Truppe aus Mali angekündigt.
Burkina Faso ist jung, arm und als Binnenland auf Frieden angewiesen. Die 20 Mio. Menschen werden sich bis 2050 verdoppeln, sind im Durchschnitt knapp 25 Jahre alt (World Bank) und 70% betreiben eine selbstversorgende Landwirtschaft. Dürreperioden treffen besonders die in der Sahelzone liegenden Landesteile.
Fast die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der absoluten Armutsschwelle. Der Human Development Index von 0,423 (Rang 183 von 188 Ländern) weist das Land als eines der ärmsten der Welt aus, dabei sind ländliche Gebiete besonders stark von Armut betroffen. Ländliche Haushalte sind 1,5 mal mehr von Ernährungsunsicherheit betroffen als städtische. Nach Aussagen der Vereinten Nationen werden 2022 fast 15 Milo. Menschen in Burkina Faso, Mali und Niger auf humanitäre Hilfe angewiesen sein, das sind vier Millionen mehr als vor einem Jahr.
Der Weltsicherheitsrat sieht „keinerlei bemerkenswerten Fortschritten“ bei der Umsetzung des Friedensabkommens von 2015. Unter den eingesetzten 13.000 Soldaten und 2000 Polizisten der Mali-Mission der Vereinten Nationen findet sich bereits eine hohe Zahl an Opfern. Laut der Einschätzung der Konrad-Adenauer-Stiftung bedeutet allerdings ein „überstürzter Abzug“ der westlichen Truppen aus Mali „Russland in die Hände zu spielen“, das primär zum Ziel habe, den Westen zu spalten.
Die Stabilität in der Sahelzone wird von allen beteilgten Parteien als wichtig eingestuft. Im Weltsicherheitsrat wies der malische Vertreter am 7. April den Verdacht zurück, die „Gruppe Wagner“ einzusetzen, die bekanntlich aus russischen Söldnern bestehe. Eingeräumt wurde das „seit 1960 ein fruchtbares bilaterales Verhältnis mit der Russischen Föderation“ bestehe.
Das gegenwärtige Wirtschaftswachstum von über 4% besteht hauptsächlich aus dem boomenden Gold- und Baumwollanbau. Weil aber das praktizierte Anbausystem die Desertifikation beschleunigt, werden mit großer Wahrscheinlichkeit die Umweltkosten den gesellschaftlichen Nutzen – insbesondere für künftige Generationen – bei Weitem übersteigen. Neben Gold und Baumwolle gibt es kaum nennenswerte Exportprodukte.
Das Klima ist tropisch-wechselfeucht mit einer Regen- und Trockenzeit. Während der Trockenzeit, die von November bis April andauert, wird das Land vom Harmattan heimgesucht, ein trockener, staub- und sandführender Wind, der das Land ausdörrt.
Die Dauer der Regenzeit sowie die Häufigkeit und Menge der Niederschläge nehmen von Süden nach Norden hin ab: bei einer jährlichen Niederschlagsmenge von ca. 600 mm im Norden, 600-900 mm in den zentralen Regionen und mehr als 900 mm in den südlichen Landesgebieten (UNDP 2019). Vor allem im Nordosten ist die Niederschlagsvariabilität groß. Dies erschwert die Landwirtschaft und kann auch ohne Dürren zu Nahrungsmittelengpässen führen.
Zum größten Teil besteht das Land aus einer Trockensavanne mit spärlichem Baumbewuchs, welche jedoch zunehmend für die Ernährung und den Anbau für Baumwolle gerodet und in Ackerfläche umgewandelt wird. Obwohl die burkinischen Bauern ihre Baumwolle dreimal billiger als die US-amerikanischen Farmer erzeugen und durch Handarbeit eine besserer Qualität anbieten haben sie am Weltmarkt keine Chance gegen die. US-amerikanischen Farmer. Mit Subventionen von 4 Mrd. USD pro Jahr verfällt der Weltmarktpreis mit dramatischen Folgen für Afrikas Bauern – US-Farmer exportieren mehr als je zuvor.
Im Südwesten wird die Vegetation im Übergang zu den Feuchtsavannen deutlich dichter. Deshalb ist diese Region ein Einwanderungsgebiet; vor allem für Umweltflüchtlinge aus dem Zentral Plateau. Die Landwirtschaft ist gekennzeichnet durch eine fortschreitende Degradation der Böden und eine große Abhängigkeit von Klimaveränderungen. Überweidung und Bevölkerungsdruck kommen erschwerend hinzu.
Die Bevölkerungszahl ist mit einem jährlichen Wachstum von 2,6% sprunghaft angestiegen. Der Anteil der jungen Menschen an der Gesamtbevölkerung ist sehr hoch (bedingt durch eine geringe Lebenserwartung und hohe Geburtenrate). Der größte Teil der Bevölkerung ist extrem arm: das jährliche pro Kopf Einkommen beträgt 230 USD (Tendenz fallend). Nur ein Viertel der Bevölkerung kann lesen und schreiben. Krankheiten wie Malaria, Aids und Tuberkulose fordern viele Opfer. Dürren, Desertifikation und Landflucht bestimmen das Überleben insbesondere der ländlichen Bevölkerung.
Ohne Unterstützung hat das Land nur sehr geringe Entwicklungschancen. Burkina Faso ist ein stagnierender LIC (Low Income Country) und wird langfristig in der Armutsfalle – hohes Bevölkerungswachstum und Zerstörung der natürlichen Ressourcen – verharren.
Viele Jugendliche können dank Massenmedien ihre Situation mit der Lebensweise der reichen Welt vergleichen. Insbesondere in Städten entsteht eine wachsende Gruppe von Unzufriedenen, welche schnell anfällig für einfache Erklärungen, Feindbilder, Hass und Gewalt werden können. Junge (männliche) Menschen ohne jegliche Perspektiven sind der Nährboden für gewalttätige Auseinandersetzungen, welche bis zum Bürgerkrieg eskalieren können (siehe Liberia, Sierra Leone, Elfenbeinküste)
Der Staatshaushalt von Burkina Faso wird zu einem wesentlichen Teil durch Entwicklungsgelder finanziert. Neben den bilateralen Gebern (u.a. Frankreich, Holland, Deutschland, Dänemark, Schweiz) sind die Europäische Union sowie die Weltbank die größten Einzelgeber in der Entwicklungszusammenarbeit. Die aufgewendeten Mittel aus Deutschland belaufen sich aktuell auf 71,45 Mio. EUR für 2022.
Mit öffentlicher Entwicklungszusammenarbeit ist sehr viel erreicht worden, doch die Zukunft liegt in der Förderung der Eigenverantwortlichkeit, denn die vielen Kleinbauern sind tüchtige Menschen und gewillt viel Arbeit in ihre eigene Zukunft zu investieren – wie zu Zeiten ihres Idols Präsident Sankara.